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ZULETZT |
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"Sich
selbst genug zu sein, mithin Gesellschaft nicht zu bedürfen,
ohne doch ungesellig zu sein, d.i. sie zu fliehen, ist etwas dem
Erhabenen sich Näherndes, so wie jede Überhebung von
Bedürfnissen."
(Immanuel Kant (1))
TEIL1:
Die andere Seite
Der Fluch der Exklusion besteht darin, dass sie im Allgemeinen
negativ konnotiert ist. Gleichsam als Schatten der Inklusion
findet sich die Exklusion immer gegenüber der Präferenzbezeichnung,
auf der anderen Seite, oder wie Stichweh sagt, in einer "hierarchischen
Opposition" (Stichweh (2, 62)) wieder. Es kann also
nicht von einer Symmetrie der Unterscheidung gesprochen werden.
Der Primat gebührt eindeutig der Inklusion. Stichweh betont
auch die Dynamik, welche zwischen dem Inklusions- und dem Exklusionsbereich
dadurch besteht und dass die oppositionelle Gegenbegrifflichkeit
keinesfalls "Stabilität und Invarianz"
(2) impliziert, was bedeutet, dass ein rigoroser, vollständiger
Ausschluss aus der Weltgesellschaft heute kaum mehr denkbar
ist. Der dafür nötige Abbruch aller kommunikativen
Verbindungen zu allen Funktionssystemen der Gesellschaft ist
schlicht unmöglich geworden; der strenge Eremitenstatus
ein nicht mehr realisierbares Dasein. Luhmann betont: "Exklusion
folgt wie ein logischer Schatten, und es bedarf einer besonderen
Anstrengung, die Beobachtung über die Grenze von Inklusion
hinweg auf Exklusion zu richten." (Luhmann, (3, 44))
(!) Doch genau diesen Blick über die Grenze hinweg zu wagen,
wird heute so wichtig für den Einzelnen. Einen frühen
Aufsatz leitet Luhmann mit den Worten ein: "Personale
Systeme gewinnen ihre Identität letztlich aus der Identifikation
mit einem Organismus, aus dem Miterleben der organischen Prozesse,
die alles Erleben und Handeln fundieren. Soziale Systeme grenzen
sich als Kommunikationszusammenhänge ab und identifizieren
sich auf sehr verschiedene Weise je nachdem, wie sie Kommunikationsprozesse
einsetzen, um ihre Beziehungen zur Umwelt zu regeln."
Dem liegt die allgemeine These zu Grunde: "Für
personale Systeme sind entsprechend soziale Systeme Umwelt,
für soziale Systeme dagegen personale Systeme Umwelt (!)."
(Luhmann, (4, 4))
Was hier als die Freiheit zur Exklusion bezeichnet sein soll,
...
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ZUM ESSAY
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»Ufficio
chiuso!«
Eine Weihnachtsgeschichte
von
Jürgen Mick
Es
war eine unscheinbare, aber massive Tür aus Holz, an der das
Schild befestigt war und dort wohl schon hing, seit ich in der
Straße wohnte.
»Ufficio S. & M. chiuso!«
Es war etwa fünfzehn Jahre her, dass ich dort eine kleine Wohnung
bezogen hatte, in einem dieser alten und geräumigen Häuser,
nur wenige Meter weiter, gegenüberliegend, die schmale, leicht
gekrümmte Straße hinunter in Richtung des Vorstadt Platzes,
mit den knorrigen Bäumen und dem Trinkbrunnen, also entgegen
der Richtung Stadtmitte, wohin ich beinahe täglich ging und
dabei das Haus mit dem Schild an der Tür für gewöhnlich
links liegen ließ. Lange Zeit war es mir nicht bewusst
aufgefallen, doch seit ein paar Monaten kam es mir immer öfter
in den Blick. So wie das mit Dingen ist, die man irgendwann,
ohne genau sagen zu können wann, entdeckt und die einen von
diesem Moment an zwingen, sie anzusehen. Auch wenn sie sich
nie ändern, so wie dieses Schild. Das Gebäude, an dessen Eingangstür
es hing, reihte sich ganz selbstverständlich, wie das, in dem
ich wohnte, in die geschlossene Häuserfront jener krummen Gasse,
wie es sie in dieser riesigen Stadt zu Hunderten gibt und die
einem manchmal durch ihre Verwechselbarkeit die Orientierung
schwer machten. Das Büro, von dem das Schild kündete, musste
sich wohl im Erdgeschoss befunden haben, das sich von den drei
darüber liegenden Etagen sichtlich durch wesentlich höher gestreckte
Fenster abhob. Die Fenster des Erdgeschosses waren, wie auch
die aller anderen Geschosse mit schweren Holzfensterläden verschlossen,
die keinerlei Einblick gewährten. Das war so, seit ich dort
wohnte, kam mir vor. Jedes weitere Mal, da ich an dem Haus vorbei
kam, suchte ich irgendein Detail, das mir verraten würde, um
welche Art von Büro es sich gehandelt haben konnte. Ich versuchte
alles zu lesen, was auf die Nutzung hindeuten mochte. Bald hatte
sich das Türschild beiläufig zu einem Rätsel für mich gewandelt.
Mich ließen die Fragen, um welche Art von Büro es sich gehandelt
haben mag und wer da seinen Dienst getan und schließlich beendet
hatte, nicht mehr los. Noch nie, auch nicht unbewusst in der
Zeit vor meiner bewussten Zurkenntnisnahme des Büros und des
Schildes, da war ich mir sicher, hatte ich je eine Person das
Haus betreten, oder aus ihm herauskommen sehen. Schon sehr lange
Zeit kündete das Schild von einer Beendigung einer Tätigkeit,
einer Beendigung für immer, wie zu diesem Zeitpunkt berechtigter
Weise, anzunehmen war. Das Schild war nur noch letzter Beleg
dafür, dass hier überhaupt jemals irgendjemand etwas getan hatte.
Für jemanden, der diese Tätigkeit noch einmal in Anspruch nehmen
hätte wollen, hat man wohl das Schild angebracht, um ihm einen
zweiten Anlauf zu ersparen. Man hätte auch einfach zusperren
können und rücksichtslos ausziehen können. Aber man hatte ...
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IN WEIHNACHTSGESCHICHTEN
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Die
Idee »Europa«
Eine
Geschichte des Reisens
von
Jürgen Mick
Wer
etwas von der Idee »Europa« spüren will,
der solle Soldatenfriedhöfe besuchen, heißt
es. Er kann aber auch eine Erzählung des verehrten
Herrn Voltaire zur Hand nehmen, die da heißt: »Geschichte
der Reisen Scarmentados«. Darin unternimmt der
so seltsam benannte junge Mann Reisen, aus dem einfachen,
aber heute wohl nur noch schwerlich nachzuvollziehenden
Grunde, seinen Wissensdurst stillen zu wollen und die
Wahrheiten über unseren Zustand auf Erden zu erfahren!
Vielleicht
ist uns das Reisen abhandengekommen? Vielleicht aber auch
nur der Wissensdurst. Die Welt ist klein geworden, der
Kopf zu voll, die Fakten auf dem Nachttisch, zumindest
auf dem darauf ruhenden Laptop abgreifbar. Da bleibt keine
Kehle mehr trocken. Wer den Computer öffnet wird einem
Fakten-Boarding unterzogen, dass es nicht wundern mag,
wenn man alsbald die Schnauze voll hat und auf Wissensdurst
nichts gibt.
Das
eigene Bett muss nicht verlassen werden, um Bescheid zu
wissen, über die Weltöffentlichkeit. Alles reicht bis
zu uns heran, alles, das geschieht, greift scheinbar bis
in unser Leben tief hinein. Dass es gar schwerer wird,
uns zu verbergen, als uns zu zeigen. Wozu also noch ausfahren,
wozu noch verreisen? Wir Reisen - wenn man so will - virtuell,
tagtäglich mit unserem Smartphone in der Hand ohne uns
vom Fleck bewegen zu müssen.
Dennoch
gibt es möglicherweise Gründe für eine physische Bewegung,
für das wortwörtliche Ab-Fahren einer Strecke und das
tatsächliche Be-Greifen. Vielleicht lässt sich nur auf
diese alte Weise so etwas, wie die Idee »Europa«
nachvollziehen und verstehen?! Indem man einen Fuß vor
den anderen setzt, ganz physisch und handgreiflich ausfährt,
um zu begreifen, was einen umgibt. Wenn man die Schnauze
voll hat, von all den Fakten, die man einem ungefragt
ins Haus kübelt, dann sollte das doch ein Grund mehr sein,
sich aufzumachen, um Erde und Asphalt unter den Füßen
zu spüren und den Winden und Wolken zu folgen (anstatt
einer Smartphone-App!) Dann sollte man wieder Menschen
begegnen und selbst entscheiden, ob sie einem fremd vorkommen,
oder doch ähnlich sind, sympathisch oder unangenehm erscheinen.
Die Straßen und Wege gehen, die Berge überqueren und auf
das Meer hinausschauen, das uns umgibt, die Zeugen aufsuchen,
die von einer Vergangenheit erzählen, die auch unsere
Geschichte sein könnte, das sollte Auftrag sein für einen
jeden jungen Geist.
Leider
ist bis jetzt nichts aus der Idee des Europaparlamentes
geworden, jedem Volljährigen ein Inter-Rail-Ticket zum
18. Geburtstag zu schenken. Dabei wäre genau das, der
Moment, in dem man unbefangen und frei losziehen könnte,
um zu entdecken, wovon man so oft hörte, aber sich beileibe
keine Vorstellung machen konnte: Von Europa, der abstrakten,
nicht eindeutig abgrenzbaren, kontinentalen Halbinsel,
der stierreitenden Jungfrau, die sich Zeus nicht zu verweigern
vermochte, der seltsam uneinigen Einheit von vielen, dem
Vielvölker-Staat? Es ist die Zeit, in der man in Ruhe,
- während man auf öden Bahnhöfen, von denen die Welt noch
nie gehört hat, der Weiterreise harrt, oder in verschwitzten,
unklimatisierten Zugabteilen einem unbekannten Ziel entgegen
döst - und man einfach mal die Zeit hat, drüber nachzudenken,
was Europa eigentlich ist und was es bedeuten kann.
Die Idee »Europa« stammt nämlich von Leuten,
die sich mit Muskelkraft um ihr Überleben kümmern mussten.
Sie stammt von Menschen, die bereit waren ihr Blut dafür
zu vergießen, dass man einmal sorglos - das war keineswegs
immer so - durch die Wälder streifen kann. Sie stammt
von Fischern und Bauern, denen Grenzen immer schon als
willkürlich vorkamen. Die Idee »Europa« ist
alt geworden, mit uns, den Analogen, die wir die letzten
waren, die ausfuhren, losliefen und es einfach nur faszinierend
fanden, unter stillgelegten Schlagbäumen unbehelligt hindurchzufahren.
Wir
liebten die dramatisch, lieblich oder ruppig klingenden
- auf jeden Fall unverständlichen - Sprachmelodien, die
zerknitterten, unbekannten Geldscheine fremder Nationen.
Auch die andersartigen Gesichter, Nasen und Münder und
das Lachen und Zetern, das man, Gott sei Dank, nicht verstand,
mochten wir noch viel mehr. Das Fremde, auf das man zuging,
das so nah war, geheimnisvoll, oder sogar verheißungsvoll,
lockte und wir frohlockten; - ohne zu wissen, wie vielen
Menschen wir dafür dankbar sein mussten, weil es allemal
höchst unwahrscheinlich ist, dass Ideen Wirklichkeit werden.
Das geschieht meist nur dann, wenn einfache Menschen lange
Zeit bereit sind, alles dafür zu geben.
Und
vielleicht würde die eine oder der andere Inter-Railer
bei Gelegenheit dann doch mal an einem Soldatenfriedhof
vorbeischauen.
+
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IN DER KOLUMNE
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Smart
City
Der Code der Stadt
von
Jürgen Mick
FK Network verwaltet in Shanghai die Daten von
60 Tausend Einwohnern eines Stadtteils. Dabei handelt
es sich um Daten über deren Gesundheit, deren Anwesenheit
zu Hause, deren Tätigkeiten in Beruf und Freizeit.
Die Spielplätze der Kinder sind über serienmäßig
installierte Monitore von der Wohnung aus überwachbar.
Ihr Zuhause ist via Internet mit der zuständigen
Krankenstationen verbunden. Der Zutritt in ihre Wohnung
wird über die gleiche Chipkarte ermöglicht,
auf der auch ihr regelmäßiger Gesundheitscheck
gespeichert wird. So werden Praxisbesuche eingespart.
Man konsultiert via Bildschirm seinen Arzt und über
ein angeschlossenes Labor werden zeitnah die Befunde aller
untersuchten Körperfunktionen geliefert. Das Ziel
ist klar: FK Network ist bestrebt diese Dienstleistung
auf Millionen weiterer Stadtbewohner Shanghais auszudehnen.
Asien ist Vorreiter in Sachen Smart Cities. Was
in westlichen Augen an Überwachung grenzt, wird in
Asien als Dienstleistung empfunden und unter dem Etikett
der Vorsorge und der Sicherheit an die Bürger gebracht
und dankend angenommen; von den meisten.
Aber auch in London wird bereits den Nutzern bestimmter
Smartphone-Apps die Wahrscheinlichkeit eines Sitzplatzes
in der U-Bahn mitgeteilt, was nur möglich ist, weil
sensorisch sämtliche physischen Bewegungen in der
Underground registriert und in Echtzeit verrechnet
werden. So prognostiziert man Verkehrsströme, die
man gleichzeitig durch die Prognose selbst manipuliert,
was zu einem sich selbstregulierendem Verkehrsaufkommen
führt. Ähnlich dem Regelkreislaufes einer mit
Thermostat gesteuerten Heizanlage, reguliert sich durch
die Verkehrsteilnehmer das, was sie selbst verursachen.
Dank der sensorischen Datenerhebung gelingt es, mittels
kybernetischer Verknüpfung in Echtzeit kompensatorische
Maßnahmen einzuleiten und somit Stoßzeiten
abzudämpfen. Smart City funktioniert vor allem
durch die Teilnehmer an smarten Systemen. Smart
City basiert einerseits auf der Erhebung von Daten,
die sich (unbemerkt) aus der elektronischen Kommunikation
abzweigen lassen, wie sie in Navigationsgeräten und
Smartphones anfallen und andererseits aus sensorischen
Datenerhebung, die sowohl physisch, optisch und thermisch
dem Öffentlichen Raum entnommen werden. Aber auch
zum Teil auf Daten, die bereitwillig aus der Privatsphäre
und dem Intimbereich zur Verfügung gestellt werden.
Jeder Einzelne stellt mittels einer ihm eignen "Zweiten
Sensorik" ...
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